...wenn einer eine Reise tut......
Die Reise mit der Transsib……
Die Visa haben wir nach mehrfachen Reklamationen drei Tage vor der Reise per UPS-Express erhalten, wo sie so lange waren, unsere Pässe? DAS konnte uns niemand beantworten. Schon recht ärgerlich gewesen.
Ja, wir waren früh – also am Vortag – in Frankfurt, da war wirklich der Bär am Steppen, aber war nett, mal wieder durch die Innenstadt zu bummeln, im Cafe zu sitzen und „people-watching“ zu machen! top28
In unsrem Flughafenhotel schliefen wir dann vom Fluglärm ungestört und früh um 7.00 Uhr trafen wir uns mit unseren Freunden, den beiden Schwestern aus Lüneburg und Buchholz. Die laaange Schlange beim LH-Einchecken konnten wir dank unserer maschinenlesbaren Tickets umgehen und uns am Automaten einchecken. Erstaunlicherweise fragte der Automat nicht nach unseren Visen. Das tat dann mit viel Aufwand der Mensch am Schalter, wo wir unsere Koffer loswerden mussten. Naja, eine Einsparung konnten wir nicht erkennen – der Mensch am Schalter auch nicht. top24
So hatten wir immerhin die Platzwahl und konnten selbst sehen, was noch frei war!
Der Flug nach Moskau war nicht lang, auf dem Flughafen konnten wir schon etwas Rubel ausm Automaten ziehen und während wir auf die Mitreisenden warteten, gabs auch schon ein paar Ansichtskarten zu kaufen. Briefmarken waren nicht aufzutreiben, die Post war einen Stock höher und so weit wollten wir uns nicht von der Truppe entfernen.
Briefmarken waren während der ganzen Reise ein Problem!
Da wir früher als andere Mitreisende eintrafen, schlug unser Reiseleiter Sascha vor, nur fix die Sachen im Hotel zu lassen und dann mit dem Bus schon mal in die Stadt zu fahren. Nun, nicht schlecht, so eine flexible Gestaltung – in Irland haben wir ja grad die Erfahrung gemacht, dass unser Busfahrer Ben intensiv auf die Einhaltung seiner Dienstzeiten achtete und damit manchen Besichtigungstermin platzen ließ, obwohl die Verspätung seinen fehlenden Ortskenntnissen zuzuschreiben waren…naja, Schwamm drüber!
So hatten wir einen sonnigen Nachmittag in Moskau, konnten sogar mit der U-Bahn zurück zum Hotel (Holiday Inn) fahren und dabei die schönsten U-Bahnhöfe besichtigen. Nach dem Abendessen gab es noch eine Lichterfahrt und um Mitternacht waren wir dann wieder im Hotel. top33
Am anderen Tag dann das übliche Besichtigungsprogramm, der Kreml (was hat es mir die Basilius Kathedrale angetan!!!), die Schatzkammern, das Kaufhaus GUM (muss man nicht haben), die Spatzenberge, die Erlöserkirche und und und.
Abends dann auf dem Kasaner Bahnhof „Empfang“ mit Sekt top32und Musik für alle Reisenden. Richtig stimmungsvoll war das!
Der Sonderzug ist beeindruckend lang und vorn gibt es zwei Lokomotiven. Wir haben den Waggon 17, Abteil 8 und dürfen ein ganzes Stück auf dem Bahnsteig entlang traben.
Unser Gepäck befindet sich bereits im Abteil, die Organisation lässt nichts zu wünschen übrig! top26
Und wie schön sieht der Barwagen aus! Nostalgische Ledersessel, ein Flügel – „Transsibirien-Orient-Express“ heisst das Ding (und nicht nur das Ding, sondern der ganze Zug, wie wir später mitbekommen!)
Es gibt zwei Waggons der ersten Klasse, einige der „Holzklasse“ (in der wir reisen), dann drei Speisewagen (einer für die erste Klasse), ein Konferenzwagen (der stinkt derart muffig, es ist eine Herausforderung, sich da aufzuhalten, man muss aber immer durch, wenn man zum Duschwagen gelangen will) Dort hängt auch der Briefkasten für unsere Post, er soll an jedem Halt geleert werden.
Ja, der Duschwagen, 8 Kabinen, die nach JEDER Dusche gründlichst gereinigt und trocken gewischt werden, aufgefüllt mit Badematte, Duschtuch, Seife und Shampoo. Ein kleiner Raum zum Haare-Föhnen (incl. Föhn, aber wen möchte schon n Gemeinschafts-Föhn mit Leuten benutzen, die man nicht mal kennt??? top35) und n Klo. Die Duschen haben einen kleinen Vorraum mit Ablagemöglichkeiten, Spiegel, Kleiderhaken, dann ein Vorhand und eine ausreichend große Dusche.
Die Waggons haben jeweils 10 Abteile, in die maximal 4 Leute hinein passen, am Anfang dann der Schaffner-Raum und vorn wie hinten jeweils ein Klo mit kleinem Handwaschbecken, wobei man das Wasser zum Waschen nur zum Laufen bringt, wenn man mit einer Hand den Hahn offen hält. Sauber gehalten wird das Ganze durch die Schaffner (bzw. durch die Mitreisenden, indem sie es so hinterlassen, wie sie es vorfinden möchten….)
Die Hinterlassenschafften plumpsen übrigens bei den Sonderzügen NICHT mehr direkt aufs Gleis, so dass es keine Absperrungen beim Halten gab. Seine Notdurft konnte man zu jeder Zeit verrichten – wenigstens bis wir in den chinesischen Zug umsteigen durften, da plumste es noch top35und es schien uns die wichtigste Aufgabe der dortigen Schaffner, die Klos bei der leisesten Geschwindigkeitsreduzierung sofort zu schließen (und dann wegen regen Austausches mit den Kollegen zu vergessen, dass man ja auch wieder öffnen müsste!)
Im Chinesischen Zug gab es nur EIN „normales“ (westliches) Klo, am anderen Ende gab es dann einen „Abtritt“ – SEHR gewöhnungsbedürftig im ratternden, schwankenden Zug!
Die Schaffner kommen – wie auch die Waggons – aus der Ukraine. Alexandr und Anna machen bei uns Dienst. Anna kichert gern und viel, sie ist (wie wir schnell merken) völlig unbedarft, aber willig und macht, was man ihr anträgt, am Ende spricht sie schon recht viel Deutsch. (Deutsch und Englisch sind die (Sonder)Zugsprachen)
Alexandr ist etwas „sperriger“ und auch durch ein Trinkgeld nicht eben williger. Aber man kann auch mit ihm umgehen und wer beharrlich ist, sich nicht abweisen lässt, der kommt zum Ziel, immer! Seine Spezialität ist das Abwischen der Haltegriffe an den Zugtüren – vor jedem Halt. Akribisch. Und dann steht er da in seinem blütenweissen Hemd und hilft den Ladies galant auf den Bahnsteig.
Beide liefern gern Tee und Kaffee in nostalgisch anmutenden Silber-Gläsern in die Abteile, das ist immer auch mit einem Schwätzchen verbunden.
Im letzten Abteil wohnte jeweils der Reiseleiter. Andrey, studierter Germanist, residierte bei uns und verwöhnte uns bei den Ausflügen mit einem „Wort zum Tag“ aus seiner schier unerschöpflichen Sammlung humoristischer „Schnackedönsjens“. An ihn konnten wir all unsere Wünsche richten und er sorgte für deren Erfüllung (zum Beispiel, dass die Fenster im Abteil mal von aussen geputzt gehörten, damit die Bilder was werden….)
Gestellt wird ein Bademantel und ein Paar Hausschuhe (Model „Einweg“, im wahrsten Wortsinn, da aus Vliespapier und mit Sicherheit nach dem Überwinden des ersten Waggonüberganges hinüber)
Es gibt – neben den zwei Unter- und zwei Oberbetten – für jeden zwei (Kleider)Haken, ein Leselicht und obern eine Netzablage. Dazu oben eine Nische (über dem Gang vor dem Abteil) für Gepäck, sowie unter den unteren Betten eine Kiste für Klamotten und neben den Kisten eine Nische. Ein kleiner Tisch – so wie auch bei uns in den Zügen – vervollständigt das Mobiliar. Täglich bekommt jeder ne Flasche Wasser, das man auch zum Zäheputzen benötigt.
Manchmal läuft eine Kühlung. Damit ist man aber sparsam, das scheint teuer. Unser Waggon verfügt über ein Sonnen- und ein Verdunkelungsrollo, das ist nicht bei allen Waggons so, manche haben nur Jalousetten, die recht windschief rumhängen. Öffnen kann man die Abteilfenster NICHT.
Ganz schnell entwickelt sich ein familiäres Miteinander im Waggon, zumal man wegen der Hitze die Abteiltüren nur unter Lebensgefahr nachts schliessen kann. Tagsüber sind sie sowieso offen, ein reger Austausch erfolg schnell von Abteil zu Abteil. Zum Glück ist kein wirklicher „Stinkstiefel“ dabei, so dass das Miteinander nett und harmonisch ist.
Als richtig entspannend haben wir erlebt, dass wir unsere Abteile (z.B. zum Essen oder für Vorträge, aber auch bei den Ausflügen) unbekümmert hinterlassen konnten, die Schaffner haben intensiv aufgepasst und es ist wirklich nichts weggekommen (man versicherte uns, dass das auch noch nie geschehen ist) So blieb also nicht nur das Buch aufgeschlagen, sondern auch das Fernglas und die Knipse liegen, wenn man zum Essen ging.
Das Ruckeln und Zuckeln war für uns nicht gewöhnungsbedürftig, andere meinten, dass es nur in der ersten Nacht gestört hätte!
Problematisch war für alle das Erreichen der oberen Betten, denn anstelle der bei uns bekannten Leiter gab es nur einen herausklappbaren Steg. Selbst große Männer (meiner misst 192cm) hatten da Mühe, von dem Trittchen aus den Hintern aufs Bett zu heben. Das haben alle unisono beklagt und es gab zu Anfang viel Gelächter über die Verrenkungen beim Erreichen des Oberbettes und noch mehr Gelächter bei den Vorstellungen, was so alles passieren könnte und würde, vor allem, wenn man sich nachts und schlaftrunken auf den Weg machen muss……
Auf den Weg machen DAS war ein Thema, denn es war schon auch eine Herausforderung, zum Duschwagen zu gelangen: 3 Türen am Ende des Waggons öffnen, über die Puffer laufen, drei Türen am Anfang des nächsten Waggons öffnen, den langen Gang entlang, rüttel nach links, rüttel nach rechts, drei Türen am Ende des Ganges, rumpel über die Puffer, drei Türen am Anfang des nächsten Waggons….Lange Rede, kurzer Sinn, wir hatten 10 Waggons zu durchqueren, bis wir bei der Dusche waren. Pro Strecke 10!
Da war es schon aus diesem Grund sehr ärgerlich, wenn man dann noch 20 Min in der Schlange stand und das Wasser zum Duschen grad vor einem zu Ende war (und man unverrichteter Dinge wieder zum eigenen Abteil zurück wandern durfte!) top8
Nach einigen Tagen gab es wenigstens Ansagen durch die Lautsprecheranlage, so dass man mit etwas Glück noch nicht unterwegs war.
Der Wassermangel war recht problematisch, denn trotz diverser Aufrufe zu sparsamem Verbrauch geschah es immer wieder, dass die Menge, die für 80 Leute reichen sollte, nach 40 Duschgästen schon verbraucht war - und wenn man dann mitbekam, dass manche Mitreisenden gar mehrfach am Tag duschten, dann war das schon richtig ärgerlich!
Wir witzelten in unserem Waggon intensiv: wie schön, dass wir uns durch das fehlen des Wassers schnell alle „gut riechen“ konnten!
Da wir durchgehend über 30 Grad (und bis zu fast 40 Grad) Tagestemperaturen hatten, war unser Bedürfnis nach einer erfrischenden, schweissabwaschenden Dusche schon sehr heftig.
Weiter war es dann ja mangels richtiger Waschräume schwierig und sehr zeitraubend, so etwas wie Morgentoilette in den Kloräumen der Waggons zu machen. Es bildeten sich schon Schlangen…….. top25
Manchmal blieb der Zug stehen, die Strecke ist nicht durchweg zweigleisig, manchmal blieb er auch auf einem Bahnhof stehen, aber manchmal auch, weil marodierende Sibiriaken auf den Gleisen nach Hause torkelten – oder sich ob des wohl weiten Weges entschlossen hatten, mal eben etwas Kraft bei einem Nickerchen zu schöpfen. Da musste der Zug dann halten und die Maschinisten hatten dann die Aufgabe, die Schienen zu räumen – was sie wohl nicht ungern taten, denn man konnte dabei schon mal richtig zulangen. Einmal gab es auch ein „größeres Ereignis“, wie wir aber nur dank unserer guten Kontakte zu Andrey erfuhren:
Als der Zug in der Nähe eines Dorfes langsamer fahren musste, sprang ein Mann auf den Zug – was er wollte, wurde nicht erfragt, denn redlich konnte es so oder so nicht sein! Man hat ihn ganz schnell mit ein paar kräftigen Tritten in hohem Bogen wieder dahin zurück befördert, wo er hergekommen ist. top23 Später haben wir mitbekommen, dass insbesondere bei langsamen Strecken und bei stehendem Zug quasi das gesamte Personal auf „hab-Acht-Stellung“ war, um solche Vorkommnisse zu verhindern!
Ja, als wir dann von Russland in die Mongolei fuhren und nächtens eine längere Strecke Niemansland passierten, wurden wir gebeten, alle Rollos fest zu schließen, weil es dort Gruppen gibt, die die Züge mit Steinen bewerfen. Es soll schon vorgekommen sein, dass ein Stein im Abteil landete – keine so angenehme Aussicht, wie wir fanden. Uns ist aber so etwas nicht passiert!
Das Essen war übrigens einmalig gut top50, stilvoll von KellnerInnen serviert, die offensichtlich Freude an ihrer Arbeit hatten – für uns also durch und durch ein Genuss.
Wie der Koch das alles in der winzigen, wackelnden, total überhitzten Küche bewerkstelligt hat?! top20
Später, im chinesischen Zug war das Essen auch gut, aber das zahlreiche Personal war eher von bauernhafter Tölpelei, tauschte sich lautstark untereinander aus und vergaß darüber gern die eigentlichen Aufgaben!
Die „Restaurantchefin“ stürzte sich gar einmal auf einen Mitreisenden und wollte ihn offenbar (auf chinesisch) des Diebstahls von Ess-Stäbchen beschuldigen. Sie ging ihm fast an die Gurgel – köstlich, wie er sie mit seinem urigen Wienerisch in die Schranken verweisen wollte. Erst als wir ihr alle bestätigten, dass für ihn gar keine Stäbchen gedeckt waren, liess sie von ihm ab!
Wir durften alle mal auf der Lok mitfahren, irgendwo unterwegs in den Weiten Sibiriens – gegen ein Trinkgeld von 5 Dollar (nette Nebeneinnahme für den Lokführer, der schon zu Beginn der Veranstaltung auffallend glasige Augen hatte) top24 top24 top24
Es gab manch interessanten Vortrag unterwegs, gehalten von unseren Reiseleitern. top15 top15
Das Publikum war übrigens recht international: Deutschsprachig hatten wir auch Östereicher und Schweizer dabei, eine Italienische Familie (mit 9jähriger Tochter und IMMER nörgelig) war dabei, Spanier, Franzosen, Südamerikaner und erstmals auch Russen (wir erfuhren, dass es alles Mitarbeiter des ehemaligen Reisebüros Intourist waren. Die hatten sich einen Waggon reservieren lassen, konnten aber keinen einzigen Platz verkaufen top10 und so schickten sie 10 verdiente Mitarbeiter los, einen für jedes Abteil.
Es gibt insgesamt drei Veranstalter, die mit Sonderzügen auf der Strecke fahren. Die Russen sind nicht sehr interessiert an dieser Reiseart, angeblich bekommen sie zu wenig Geld für die Schienennutzung und könnten mit Güterverkehr viel mehr verdienen.
Die Waggons (ALLE) werden übrigens zum Ende der Saison ausgemustert (was man gut nachvollziehen kann) eine neue Generation steht wohl bereit und die Reisen werden dann – so der Veranstalter – deutlich teurer werden! top9
Soviel also erst einmal für den Zug, was die Reise so zu bieten hatte, was soooo viel, sooo schön, soo beeindruckend, das muss – wenns interessieren sollte- in einen weiteren Bericht, der ein wenig Zeit braucht, denn Asien beschert mir offenbar immer irgendeinen Virus. Diesmal hat es mich aus heiterem Himmel, aber zum Glück erst hier zu Hause mit ner Magengeschichte, ner Mittelohrvereiterung, ner Bronchitis, die sich sehen, vor allem aber gut hören lassen kann und heftigem Fieber erwischt. Antibiotika sind grad mein Hauptnahrungsmittel, da läuft nicht alles so, wie ich es mir wünschen würde……
Gruss Usabima